2.17 Welche Substitutionsmöglichkeiten für entzündbare, leicht entzündbare und extrem entzündbare Flüssigkeiten haben sich in der Praxis bewährt?

In jüngster Zeit finden Reinigungsmittel mit Flammpunkten über 100 °C immer mehr Verwendung. Dabei handelt es sich um hochsiedende Kohlenwasserstoffgemische (Hochsieder – HBS) sowie um Ester auf Basis von Pflanzenölen (Pflanzenölester). (Ausgewählte Eigenschaften von Kohlenwasserstoffen und Pflanzenölestern im Vergleich siehe Tabelle 3)

Bei verschiedenen Projekten zum Thema „Metallreinigung mit Estern auf Basis pflanzlicher Öle“ wurde nachgewiesen, dass man mit Pflanzenestern Verschmutzungen häufig sogar besser entfernen kann. Sollen fettige Verschmutzungen, Bitumen und Konservierungsstoffe entfernt werden, bieten sich Ester als Reinigungsmittel und Ersatz für übliche Kaltreiniger an. Beim manuellen Reinigen und Entfetten werden aus Estern keine Emissionen in die Umgebungsluft frei.

Ein wesentlicher Vorteil von Estern besteht darin, dass keine Brand- und Explosionsschutz­maßnahmen erforderlich werden, wenn Versprühen und Vernebeln ausgeschlossen ist, da der Flammpunkt > 100 °C beträgt.

Weitere Vorteile sind Einsparungen baulicher Kosten (Lüftung), Vermeidung von Explosionsschutz­maßnahmen, Ausschluss von Lösemittelemissionen in die Umwelt und Verhinderung von Abwassergefährdungen.

Tabelle 3: Kohlenwasserstoffe (HBS = Hochsiedende Kohlenwasserstoffgemische) und Pflanzenölester – physikalische Eigenschaften, Einstufung, Grenzwerte

Bezeichnung Testbenzine
extrem entzündbar/
leicht entzündbar
Testbenzine entzündbar Testbenzine HBS Pflanzenöl-
ester
Flammpunkt (°C) < 23 ≥ 23 ≤ 60 > 60 ≤ 100 > 100 > 100
Dampfdruck (mbar)
bei 20 °C (ca.-Angaben)
10 - 600 10 - 15 1 - 5 0,1 - 1 > 0,1
Gefährlichkeitsmerkmal
nach CLP-Verordnung
extrem entzündbar
leicht entzündbar
entzündbar entfällt entfällt entfällt
Luftgrenzwert (mg/m³) bis 1500 bis 1500 bis 1500 bis 1500 keiner

In Lacken auf Wasserbasis sind organische Lösemittel teilweise oder vollständig durch Wasser ersetzt. In dem Forschungsbericht W-57 der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) (ISBN: 3-89429-456-6) zum Thema „Vermeiden der Entzündung von Sprühnebeln handelsüblicher wasserverdünnbarer Lacke (Wasserlacke) beim Verarbeiten mit elektrostatischen Sprühanlagen und -einrichtungen“ wurden 120 Wasserlacke und in einem späteren Vorhaben PV 37001 weitere 41 Lacke untersucht.

Zur Methodik gehören

  • chemisch-physikalische Analyse gebräuchlicher Wasserlacke,
  • Zündversuche an versprühten Wasserlacken mit offener Flamme oder Lichtbogen (zur Ermittlung der Entzündbarkeit) und
  • Zündversuche mit Kondensator-Entladungsfunken (zur Ermittlung der Mindestzündenergie).

Im Ergebnis wurden die Wasserlacke in die drei Klassen „unbrennbar“, „nicht selbstständig brennbar“ und „selbstständig brennbar“ eingeteilt. Für einen kleinen Teil der Lacke wurde festgestellt, dass diese brennbar sind. Es wurden ein Diagramm und eine Formel aufgestellt für die Abhängigkeit der Brennbarkeit von Lösemittelart und Lackzusammensetzung, die eine gezielte Rezeptierung ermöglichen. Wasserlacke sind nicht brennbar, wenn:

(% Wasser) > 63/37 x (% organisches Lösemittel) + 49/51 x (% organischer Feststoff).

UV-Lacke enthalten keine entzündbaren Lösemittel, sondern sogenannte Reaktivverdünner. Es handelt sich dabei um Flüssigkeiten, die einerseits die Verarbeitung des Lackes z. B. durch Drucken oder Spritzen ermöglichen und andererseits bei der Einwirkung von UV-Licht in Verbindung mit Fotoinitiatoren vernetzen und auf diese Weise die Härtung des Lackes bewirken. Sie besitzen Flammpunkte über 100 °C. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass UV-Lacknebel unter bestimmten Umständen zündbar sind (siehe Möckel, D. und Beyer, M. in: Technische Sicherheit 1-2 (2014), S. 30 - 32). Die Spritzwolke sollte demnach als Zone 2 eingestuft werden.