Forum protecT am 14. und 15. November in Bamberg

Wo bleibt der Mensch?

„Arbeit 4.0 – Risiken erkennen und Chancen nutzen“: Unter diesem Motto stehen die Konferenzen des Forum protecT 2017/2018. Die erste Veranstaltung fand im November im Welcome Kongresshotel in Bamberg statt. Moderiert wurde der zweitägige Kongress von Dr. Julia Kropf.

Der Ort für das erste Forum protecT der Saison, eine ehemalige Färberei, stand sinnbildlich für alte Arbeitsformen. Den Bogen zu den Herausforderungen, die sich durch neue Formen der Arbeit ergeben, schlug dann auch gleich Helmut Ehnes, Leiter Prävention der BG RCI, in seinen Begrüßungsworten. Wesentliches Merkmal von Arbeit 4.0 ist die digitale Transformation, „Arbeit 4.0 wird konkret“, begrüßte Ehnes die Teilnehmer. Das Forum biete dabei die gute Gelegenheit, eine aktuelle Bestandsaufnahme zu liefern und Ausblicke zu geben. Die zentrale Frage, die sich durch die beiden Veranstaltungstage zog, sei dabei „Wo bleibt der Mensch?“ Die Moderatorin Dr. Julia Kropf ergänzte dazu, dass sich die digitale Transformation in jedem Unternehmen unterschiedlich gestalte. Im Anschluss an die Begrüßungsworte stellte das Theater Interaktiv die Erwartungen der Teilnehmer in einer Improvisation dar.

Chancen nicht verschlafen

Den Eröffnungsvortrag hielt Prof. Dr. Gunter Dueck, Mathematiker, Autor und ehemaliger Chief Technology Officer bei IBM. Dueck gehört seit vielen Jahren zu den bekanntesten Vordenkern, wenn es um gesamtgesellschaftliche Umwälzungen durch die Digitalisierung geht. In seinem Vortrag unter dem Titel „Cloud Computing, Industrialisierung von Dienstleistungen und die Auswirkungen auf die Arbeitswelt“ verwies er unter anderem auf die institutionellen Hindernisse und Versäumnisse, durch die unausweichliche Entwicklungen verschlafen werden. Viele Unternehmen seien heutzutage auf Geschäftsfeldern tätig, für die es zukünftig keinen Markt mehr gebe oder lediglich eine deutlich geringere Nachfrage. Auch für die Prävention in Sachen Arbeitssicherheit sieht Dueck notwendige Veränderungen. Aufgabe sei es, jetzt über den Mensch 4.0 und seine Stellung in der Arbeitswelt nachzudenken und für gesunde Arbeitsplätze zu sorgen und nicht auf den Mensch 4.0 zu warten und dann erst entsprechende Überlegungen anzustellen. Eine der Hauptherausforderungen sieht Dueck in der Tatsache, dass der Computer in immer größerem Maß einfache (Büro-)Arbeiten übernimmt, der Mensch aber nicht in der Lage ist, die übrigen anspruchsvollen Arbeiten über 40 Stunden in der Woche konzentriert zu erledigen. Burnout ist die Folge und Burnout bei Mitarbeitern sei immer auch ein Zeichen schlechter Führung. Die Psyche des Menschen ist die wichtigste Präventionsaufgabe, aus diesem Grund müssen auch Führungskräfte neue Kompetenzen erlernen.

Problem: Degradierung von Arbeit

Dr. Martin Braun vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO griff diese Überlegungen in seinem Vortrag unter dem Titel „Arbeiten 4.0 – Was erwartet uns?“ auf und erweiterte sie um zusätzliche Aspekte. Einführend fasst Braun die neuen Anwendungen, die durch digitale Technologien ermöglicht werden, zusammen. Big-Data-Systeme durch die Vernetzung von Maschinen und Datenerfassung in Echtzeit sind ebenso wenig Zukunftsmusik wie Robotik. Auch innovative Geschäftsmodelle werden durch neue Technologien ermöglicht, so zum Beispiel additive Verfahren durch Veränderungen der produktionstechnischen Methoden oder durch 3-D-Druck. Auch Wearables wie Datenbrillen und -handschuhe werden die Arbeitswelt verändern. Ein großes Problem sei die mit den Neuerungen einhergehende Degradierung von Arbeit. Bereits heute könnten bei bis zu einem Fünftel aller sozialversicherten Beschäftigten mehr als 70 Prozent ihrer Tätigkeit von Computern erledigt werden. In Fertigungsberufen müssten bereits heute 73 Prozent, in fertigungstechnischen Berufen 64 Prozent aller Tätigkeiten nicht mehr vom Menschen ausgeführt werden. Übrig bleiben in vielen Bereichen nur noch einfachste Arbeiten, die von Mitarbeitern ausgeführt werden müssen. Diese Problematik haben auch viele Unternehmen bereits erkannt. Deshalb ist für sie nicht der Umgang mit der neuen Technik die große Herausforderung, sondern viel wichtiger ist es, Antworten auf die Frage „Was macht das mit uns?“ zu finden und gesundes Arbeiten unter veränderten Bedingungen zu ermöglichen. Dazu stellte Braun Einflussfaktoren und mögliche Ansätze vor.

Helmut Ehnes stellte in seinem Vortrag die Ziele der Vision Zero und der Aktivitäten und Maßnahmen der BG RCI vor und berichtete über bereits Erreichtes. Dabei ging er auf die neuen Möglichkeiten für Prävention und Arbeitsschutz ein, die sich durch Technologien wie Big Data oder Wearables bieten.

Kreativität braucht strukturelle Möglichkeiten

Das Forum protecT bot den Teilnehmern auch die Möglichkeit, in neun Workshops und im Diskussionsforum Kaffee Vier.Zero selber aktiv zu werden und nicht nur Ideen zu finden, sondern auch selber Ansätze einzubringen. Die Themen reichten dabei von neuen Lernstrategien und Prävention in der digitalen Transformation bis hin zu kollaborierenden Robotern oder Cybersecurity als Arbeitsschutzthema. Zwischen den einzelnen Veranstaltungen konnten sich die Teilnehmer über das breite Angebot zur Prävention der BG RCI informieren. Zudem stellten Partnerunternehmen neue Entwicklungen wie den Chairless Chair von noonee vor. Dieser stand auch als Beispiel für Innovationskraft von Unternehmen im Blickpunkt der Diskussion „Arbeitshilfen von morgen“, mit der der zweite Tag eröffnet wurde. Dort stellte Olga Motovilova das von Noonee entwickelte Exoskelett vor, mit dessen Unterstützung ergonomisches Arbeiten auch in der Fertigung verbessert wird. Nico Landwehr, Drägerwerk Lübeck, erläuterte, wie in seinem Unternehmen der Kreativabteilung Möglichkeiten gegeben werden, an neuen Produkten zu arbeiten und welche Strukturen dazu intern geschaffen wurden. Dr. Helmut Nold von der BG RCI führte dazu aus, wie Mitarbeiter von der Anwendung neuer Arbeitshilfen überzeugt werden können.

Nachdem Ronny Franke vom Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und –automatisierung IFF über den Nutzen neuer Technologien für Prävention 4.0 sprach und dabei weitere Denkansätze präsentierte, beendete Ulrich Meesmann, Mitglied der Geschäftsführung der BG RCI, mit einem zusammenfassenden Schlusswort die Veranstaltung.

Stefan Möller