Schwerpunktthema "Lärm" aus der aktuellen Ausgabe 1|2025


Lärm - eine unterschätzte Gefahr?!

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Lärmbelastung an Arbeitslätzen durch zahlreiche Bemühungen und Verbesserungen im betrieblichen Lärmschutz stetig verringert, insbesondere durch technische Lärmminderungsmaßnahmen und die lärmärmere Gestaltung von Arbeitsstätten. Außerdem gab es sehr viel Aufklärungsarbeit, sowohl von den Unternehmen als auch vom Präventionsbereich der BG RCI. Unzählige Vorträge, Unterweisungen und Seminare wurden durchgeführt – und dennoch bleiben die Verdachtsanzeigen auf eine durch Lärm verursachte Berufskrankheit (BK) auf einem konstant hohen Niveau. Woran liegt das?

Ein paar Zahlen vorweg: Bei der BG RCI wurden 2023 1.633 Verdachtsanzeigen auf eine BK Lärmschwerhörigkeit gestellt; 588 davon wurden anerkannt. Über alle Träger der gesetzlichen Unfallversicherung hinweg waren es in dem Jahr 17.432 Verdachtsanzeigen und 7.609 anerkannte Berufskrankheiten. Die Einwirkung von Geräuschen wird nach wie vor von vielen Menschen unterschätzt. Die Lieblingsmusik wird gerne als „schöner Lärm“ bezeichnet, ein vergleichsweise leises, aber sehr störendes Geräusch am Arbeitsplatz jedoch als schädigend empfunden. Grundsätzlich gilt: Unsere Ohren unterscheiden nicht zwischen „gutem“ und „schlechtem“ Lärm. Oder schönen und schädigenden Geräuschen.

Als Lärm werden sämtliche Geräusche beziehungsweise Schallereignisse bezeichnet, die stören, belästigen oder zu Gesundheitsschäden führen können. Schall breitet sich in der Luft als „Schalldruck“ wellenförmig aus. Die Schallwellen treffen von außen über den Gehörgang auf das Trommelfell, welches dadurch in Schwingung versetzt wird und die Bewegungen über die kleinen Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel auf die Hörschnecke überträgt. Darin befindet sich eine Flüssigkeit, in der spezielle Haarzellen die Schwingungen aufnehmen und in elektrische Impulse umwandeln, welche über den Hörnerv an das Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet werden.

Gehörschädigender Lärm
Durch langjährige Lärm-Einwirkung werden die Haarzellen in der Schnecke sowie die dahinter liegenden Nervenzellen geschädigt. Diese Schädigung ist völlig schmerzfrei und bleibt daher lange Zeit unbemerkt. Ein geschädigtes Gehör kann jedoch niemals wieder in einen gesunden Zustand versetzt werden. Selbst modernste Hörgeräte verstärken zwar die Umgebungsgeräusche, können die fehlenden Frequenzbereiche jedoch nicht ersetzen.

Im Arbeitsschutz liegt der Fokus genau auf diesem gehörschädigenden Lärm, der in der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) durch Auslösewerte definiert wird. Für die Entwicklung einer Lärmschwerhörigkeit ist der Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h maßgeblich, da er im Gegensatz zum Spitzenschalldruckpegel LpC,peak die langfristige Einwirkung des Lärms auf das Gehör definiert. 
Der untere Auslösewert für den LEX,8h beträgt 80 dB(A), der obere Auslösewert 85 dB(A).
Der untere Auslösewert für den LpC,peak beträgt 135 dB(C), der obere Auslösewert 137 dB(C).

In Abhängigkeit von der Lärmexposition muss die Unternehmensleitung folgende Maßnahmen 
ergreifen: 
Bei Erreichen/Überschreiten eines der unteren Auslösewerte:
• Beschäftigte zum Thema Lärm unterweisen 
• Geeignete Gehörschützer bereitstellen und das richtige Tragen praktisch üben
• Arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten

Bei Erreichen/Überschreiten eines der oberen Auslösewerte: 
• Lärmbereiche kennzeichnen, falls technisch möglich abgrenzen und Zugang beschränken 
• Lärmminderungsprogramm aufstellen und durchführen 
• Beschäftigte müssen Gehörschutz benutzen 
• Bestimmungsgemäße Verwendung des Gehörschutzes sicherstellen 
• Regelmäßig arbeitsmedizinische Vorsorge veranlassen

Der Schalldruckpegel
Schalldruckpegel entsprechen beim Menschen von der Hörschwelle bis zur Schmerzgrenze Drücken von 0,00002 bis 20 Pascal (Pa). Da dieser große Zahlenbereich recht unübersichtlich ist, wurde das logarithmische Maß „Dezibel“ (dB) eingeführt. Es „übersetzt“ die Schalldrücke in einfach handhabbare Zahlen − im obigen Fall von 0 bis 120 Dezibel. Dabei entspricht 0 dB der Lautstärke, die wir gerade noch hören (Hörschwelle).

Aufgrund der logarithmischen Skala gelten spezielle Rechenregeln. So entspricht eine Verdopplung des Schalldrucks einer Pegelzunahme um 3 Dezibel. Dies kann mit folgender Faustformel veranschaulicht werden: 0 dB + 0 dB = 3 dB

Analog dazu bedeutet eine Halbierung des Lärms eine Pegelabnahme um 3 dB. Diese Tatsache ist besonders hilfreich bei der Beurteilung von Lärmminderungsmaßnahmen. Wurde zum Beispiel durch eine Einhausung der Lärmpegel einer Maschine von 92 auf 86 dB gesenkt, besteht für die dort Beschäftigten nur noch ein Viertel des ursprünglichen Risikos einer Lärmerkrankung.

Neben der Lautstärke ist auch die Aufenthaltszeit in lauten Bereichen entscheidend für das Risiko einer Gehörschädigung. In Kombination spricht man hier von einer Lärm-Dosis.

In der Tabelle sind − ausgehend vom Tages-Lärmexpositionspegel 85 dB(A) über 8 Stunden − identische Belastungen für das Gehör aufgeführt. So entsprechen nur 5 Minuten Aufenthalt in einem 105 dB(A) lauten Bereich der gleichen Dosis wie 1 Stunde bei 94 dB(A) und 8 Stunden bei 85 dB(A). Nicht nur in der Arbeitswelt können Lärmpegel von 105 dB(A) oder mehr auftreten. So werden direkt an den Ohrhörern von Smartphones Werte bis über 120 dB(A) erreicht. Auch in Discotheken und bei Konzerten können insbesondere in der Nähe der Lautsprecher solch hohe Schalldrücke vorkommen.

Ein Schutz des Gehörs ist also in allen Lebensbereichen wichtig und unerlässlich. Die häufig gestellte Frage „Welcher Gehörschutz ist denn nun der beste?“ lässt sich ganz simpel beantworten: Der, der konsequent und richtig getragen wird! Ob man lieber Stöpsel, Kapseln oder angepassten Gehörschutz (sogenannte Otoplastiken) trägt, hängt nicht nur von den individuellen Vorlieben ab, sondern auch von unterschiedlichen und teils arbeitsplatzspezifischen Randbedingungen (Temperatur, muss gleichzeitig eine (Schutz)Brille getragen werden, Hygieneanforderungen etc.).
Gerade bei sehr hohen Schallpegeln ist der Schutz des Gehörs wichtig, auch wenn diese nur kurzzeitig auftreten.

Sabine Roth und Dirk Leinert, BG RCI


DGUV Empfehlung Lärm: Arbeitsmedizinische Vorsorge

Lärm kann nicht nur Schäden am Innenohr verursachen, sondern auch sogenannte extra-aurale Störungen. Damit sind negative Auswirkungen gemeint, die nicht das Gehör betreffen –  zum Beispiel Konzentrationsstörungen, Nervosität und vegetative Reaktionen wie Verdauungsstörungen und Bluthochdruck. Sind Beschäftigte an ihrem Arbeitsplatz Lärm ausgesetzt, haben sie Anspruch auf arbeitsmedizinische Vorsorge.

Beim Thema Lärm am Arbeitsplatz lag der Schwerpunkt der Betrachtung lange auf der direkten Schädigung des Innenohres (aurale Wirkung). Konkretisierungen dieses Themas sowie Begriffsbestimmungen finden sich unter anderem in der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) sowie in den technischen Regeln hierzu. In diesen werden die Gefährdungsbeurteilung sowie Grenzwerte behandelt.

Eine gute und umfassende Gefährdungsbeurteilung, ergänzt durch Messungen nach dem Stand der Technik, bilden die Grundlage für die weiteren Maßnahmen am Arbeitsplatz. Dabei kommt es vor allem auf die (messtechnisch) ermittelten Tages-Lärmexpositionspegel [LEX,8h] sowie Spitzenschalldruckpegel [LpC,peak] an – sie sind für das weitere Vorgehen bei der Organisation der arbeitsmedizinischen Vorsorge wichtig. Eine konsequente Umsetzung der Maßnahmen kann dazu beitragen, die noch immer hohe Zahl der Berufskrankheit „Lärmschwerhörigkeit“ und das damit verbundene persönliche Leid der Betroffenen sowie die Kosten für die versicherten Betriebe und die Allgemeinheit zu reduzieren.

Lärmstress
Nicht zu vernachlässigen sind die reversiblen auralen Lärmwirkungen wie zeitlich begrenzte Hörminderungen (Vertäubungen), welche ab einem A-bewerteten äquivalenten Dauerschallpegel von 70 dB(A) auftreten können. Zudem müssen die ohne direkten Pegelbezug möglichen extra-auralen Lärmwirkungen, auch Lärmstress genannt, berücksichtigt werden. Die Folgen von Lärmstress können kurzfristige, aber auch länger anhaltende physiologische Reaktionen (zum Beispiel Herz-Kreislauf-Reaktionen) als auch psychische Auswirkungen wie Depressionen sein. Ob ganz konkret Bluthochdruck durch Lärm unter bestimmten Umständen zukünftig eine Berufskrankheit wird, ist seit einiger Zeit Gegenstand der Beratungen des ärztlichen Sachverständigenbeirats Berufskrankheiten beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Zur Prävention dieser extra-auralen Lärmwirkungen gelten in Abhängigkeit von der jeweiligen Tätigkeitskategorie Beurteilungspegel von 55 dB (A) (Tätigkeitskategorie I , zum Beispiel Softwareentwicklung, ärztliche Behandlungen und Operationen) beziehungsweise 70 dB (A).(Tätigkeitskategorie II, zum Beispiel Sachbearbeitung im Büro, Arbeiten in Laboratorien). Zur Feststellung möglicher lärmbezogener Probleme am Arbeitsplatz eignen sich Arbeitsplatzbegehungen mit dem Schwerpunkt Lärm unter Berücksichtigung der Raum- und Arbeitsplatzgestaltung sowie der Arbeitsorganisation. Weitere Informationen hierzu finden sich in der ASR A3.7 (erhältlich unter baua.de). Zur Ermittlung der Gefährdungen durch psychische Belastungen bieten sich die von der BG RCI angebotenen psyBel Tools an.
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Organisation der arbeitsmedizinischen Vorsorge Lärm
In der aktuellen Fassung der ArbMedVV finden sich im Anhang Teil 3 die Werte, welche bei Lärmexposition eine entsprechende Vorsorge auslösen:
• Pflichtvorsorge bei Tätigkeiten mit Lärmexposition, wenn die oberen Auslösewerte von Lex,8h = 85 dB(A) beziehungsweise LpC,peak = 137 dB(C) erreicht oder überschritten werden.
• Angebotsvorsorge bei Tätigkeiten mit Lärmexposition, wenn die unteren Auslösewerte von Lex,8h = 80 dB(A) beziehungsweise LpC,peak = 135 dB(C) überschritten werden.

Pflichtvorsorge bedeutet, dass Arbeitgebende diese (vor Aufnahme der Tätigkeit und anschließend in regelmäßigen Abständen) zu veranlassen haben und Mitarbeitende an der Vorsorge teilnehmen müssen. Die Angebotsvorsorge müssen Arbeitgebende vor Aufnahme der Tätigkeit und anschließend in regelmäßigen Abständen personalisiert anbieten – Beschäftigte müssen sie jedoch nicht in Anspruch nehmen.

Arbeitsmedizinische Vorsorge bei extra-auraler Lärmwirkung
Bei möglichen extra-auralen Beschwerden muss der Arbeitgebende Mitarbeitenden auf ihren Wunsch hin eine Wunschvorsorge ermöglichen Hierbei können mögliche gesundheitliche Folgen abgeklärt werden sowie Maßnahmen besprochen werden.

Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist Teil der betrieblichen Präventionsmaßnahmen und beinhaltet insbesondere ein ärztliches Beratungsgespräch mit Erhebung der persönlichen Anamnese sowie der Arbeitsanamnese und wird gegebenenfalls durch Untersuchungen (zum Beispiel Audiometrie) ergänzt. Eine Beurteilung der gesundheitlichen Eignung gegenüber Arbeitgebenden erfolgt nicht. Die gesamte arbeitsmedizinische Vorsorge unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht.

Die Empfehlung „Lärm“ der DGUV gibt weitere Hinweise, Informationen sowie ein Ablaufschema zur arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Tätigkeiten mit Lärm.
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Die Vorsorge darf bei vorliegender Gefährdungsbeurteilung und Kenntnis der Arbeitsplatzverhältnisse von Ärztinnen und Ärzten mit der Facharztbezeichnung „Arbeitsmedizin“ oder der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ durchgeführt werden. Beim Ablauf der Vorsorge und den hinterlegten Tabellen wird zum einen zwischen der Erst- und Folgeuntersuchungen (falls eine Audiometrie gemacht wird) unterschieden. Zum anderen werden bei Zustimmung zu Untersuchungen drei Untersuchungsumfänge (in Abhängigkeit von den Befunden) beschrieben: 
• Lärm I (normal): Anamneseerhebung, Beratung, bei Zustimmung Untersuchung, u. a. Luftschallmessung (Audiometrie) 1 – 6 kHz
• Lärm II (bei Auffälligkeiten), hier zusätzlich zur Lärm I Stimmgabeltest nach Weber, Luftschallmessung 0,5 – 8 kHz sowie Messung der Knochenleitung
• Lärm III (Bei Überschreiten der Grenzwerte auf beiden Ohren bei der Lärm II Nachuntersuchung), in der Regel als Auftragsuntersuchung beim HNO-Facharzt mit
     - otoskopischer Untersuchung
     - Tonaudiometrie in Luft- und Knochenleitung
     - Sprachaudiogramm für beide Ohren (Hörverlust für Zahlen, Einsilbenverständlichkeit mind. bei den Sprachschallpegeln 50, 65, 80 und 95 dB, Testmaterial nach DIN 45 621 und DIN 45 626

Was hat sich gegenüber dem alten G 20 Grundsatz Lärm bei der neuen Empfehlung Lärm geändert?
Die Angabe der Grenzwerte erfolgt jetzt geschlechtsspezifisch, das heißt es gibt getrennte Tabellen für Frauen und Männer da sich, insbesondere im höheren Alter, das Hörvermögen deutlich unterscheidet. Zusätzlich wurden die Grenzwerte in den Tabellen 1 und 2 sowie für die Notwendigkeit einer Lärm III Vorsorge teilweise abgesenkt, um insbesondere in jüngeren Jahren eine beginnende Lärmschwerhörigkeit früher zu erkennen.

Sven-Eric Heinz, BG RCI
 


Lärm mit allen Sinnen

In unserem Alltag werden wir ständig mit einer Vielzahl von Sinneseindrücken konfrontiert. Viele davon nehmen wir gar nicht mehr bewusst wahr und sie entgehen unserer Aufmerksamkeit. Es fällt uns immer schwerer, den Fokus zu behalten. Eine Reise durch unsere akustische Umwelt und wie wir sie mit allen Sinnen erleben.

Alle Sinne?
Bereits Aristoteles stellte fest, dass die Sinne des Menschen eine gewisse Hierarchie haben. An erster Stelle steht das Sehen, gefolgt vom Hören, Schmecken, Tasten und zuletzt dem Riechen. Diese Reihenfolge gilt bis heute – allerdings gibt es kulturelle Ausnahmen. Den Gleichgewichtssinn, den Orientierungssinn und das Schmerz- beziehungsweise Temperaturempfinden zählt man heute ebenfalls zu den Sinnen.

Wie wir hören
Der Mensch kann Töne zwischen 20 Hertz(Hz) und 20.000 Hertz hören. Geräusche ab 0 Dezibel (dB) sind wahrnehmbar. 0 Dezibel – wie ist das möglich? Die Hörschwelle wurde durch Hörversuche mit vielen Personen ermittelt. Sie entspricht einem Schalldruck von 0,00002 Pascal (20 µPa) bei 1000 Hertz. Wenn man eine Mücke in unmittelbarer Nähe gerade so wahrnimmt, wird diese Schwelle überschritten (siehe Abbildung 1).

Wenn durch Lärm eine Schwerhörigkeit entsteht, sind fast immer die höheren Frequenzen betroffen. Neben den bekannten Einschränkungen in der Sprachverständlichkeit kommt es durch eine erschwerte Kommunikation dann oft zu psychischen Belastungen. Wenn man Gesprächen nicht gut folgen kann, fühlt man sich häufig einsam und verbittert. Deshalb ist es wichtig, Lärm zu vermeiden und sich davor zu schützen. Auch im Privatleben.

Gleichgewichtssinn und Schmerzempfinden
Das Gleichgewichtsorgan ist mit dem Hörorgan über ein gemeinsames Flüssigkeitssystem verbunden. Hohe Lärmpegel haben neben Alkohol und Drogen auch eine Wirkung auf das Gleichgewichtsorgan und können massive Störungen hervorrufen. Ab welcher Lautstärke Menschen Schmerzen empfinden, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Solche Testreihen wären unangenehm und könnten zu Hörschäden führen. Als Richtwert kann man sich 120 bis 140 Dezibel merken (siehe Abbildung 1).

Orientierungssinn
Unser Gehör analysiert ständig unsere Umwelt – ohne Pause. Es kann aus der Vielfalt der Geräusche unsere Aufmerksamkeit gezielt lenken und Störgeräusche selektiv aus dem Bewusstsein ausblenden. Dafür ist das räumliche Hören von großer Bedeutung.

Zur Lokalisierung der Geräuschquelle im Raum tragen besonders die höheren Frequenzen über 1.000 Hertz bei. Das Gehirn kann aus Laufzeitunterschieden der Geräusche zwischen beiden Ohren die Richtung bestimmen. Die Filterwirkung durch die Form der Ohrmuschel ermöglicht es zusätzlich, noch genauer die Richtungen wie oben, unten, hinten und vorn zu lokalisieren, da es hier keine Laufzeitunterschiede zwischen den Ohren gibt.

Bei einer Schwerhörigkeit wird das Richtungshören stark eingeschränkt, da als erstes die hohen Frequenzen schlechter wahrgenommen werden. Es fällt dann schwerer, sich auf verschiedene Gesprächspartner zu konzentrieren. Auch die Unfallgefahr steigt, wenn man als Fußgängerin oder Fußgänger im Straßenverkehr oder in der Lagerhalle herannahende Fahrzeuge nicht rechtzeitig wahrnimmt und verorten kann.

Kann man Schall sehen?
Was man sieht, kann auch mit anderen Sinnen assoziiert werden. Ein einfaches Beispiel sind Comicsprechblasen. Kann man aber Schall sehen oder sichtbar machen? Die Tierwelt macht es uns vor. Delfine und Fledermäuse (siehe Abbildung 3) können durch Klick- beziehungsweise Ultraschallgeräuschen ihre Umgebung erforschen und diese damit zur Kommunikation und zur Futterversorgung nutzen.

Schall kann auch sichtbar werden, wenn ein Flugzeug die Schallmauer durchbricht. An der Front einer Stoßwelle entsteht eine Wolkenscheibe aus Wassertröpfchen (Prandtl-Glauert-Kondensationswolke). Berühmte Fotos davon hat der italienische Fotograf Andrea Galvani gemacht. Es gibt auch eine technische Möglichkeit, Lärm sichtbar zu machen. Zur Lärmvisualisierung steht uns bei der BG RCI eine spezielle akustische Kamera zur Verfügung. Die Signale von kreisförmig in einem bestimmten Abstand angeordneten Mikrofonen (64 beziehungsweise 176 Stück) werden mittels eines komplexen Verfahrens zur Positionsbestimmung von Quellen in Wellenfeldern, dem sogenannten Beamforming, ausgewertet, berechnet und in geeigneter Form dargestellt.

Tastsinn - Fühlen
„…Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist  
Das ist alles, was sie hört.
Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist
Wenn sie ihr in den Magen fährt…“
-Herbert Gröenemeyer: „Musik nur, wenn sie laut ist“-

Wir nehmen tiefe Bässe und laute Rhythmen über den ganzen Körper wahr. Wenn bestimmte Grenzen überschritten werden (siehe Abbildung 4), kann das zu Übelkeit und Sehstörungen führen, die Herzfrequenz beeinflussen und natürlich auch Gehörschäden verursachen.

Den direkten Bezug zum Tastsinn hat im Jahr 2016  Prof. Edouard Gentaz mit seinem Forscherteam (Uni Genf) untersucht. Sie stellten fest, dass eine laute Umgebung den Tastsinn von Frühgeborenen beeinträchtigen kann. Elefanten wiederum können über die Füße kommunizieren. Ihr Tastsinn in den Fußsohlen ist hervorragend dazu geeignet, über kilometerlange Strecken ihr tiefes Grollen im Infraschallbereich zu übertragen (siehe Abbildung 5).

Ein kleines Experiment: Wenn Sie zu Hause eine Spieluhr haben, ziehen Sie sie doch mal auf. In die Luft gehalten, ist sie deutlich leiser als auf den Tisch gestellt. Der Körperschall regt den Tisch zum Schwingen an und verstärkt den Schall. Diese Technik findet Anwendung bei Knochenschall-Kopfhörern. Der Schall wird mithilfe der Auflageflächen, der sogenannten Transducer, über den Schädelknochen direkt ins Innenohr übertragen. Dadurch ist neben dem Hören der Information oder Musik eine gute Wahrnehmung der restlichen Umwelt gewährleistet, da die Ohren freibleiben.
Ab einer gewissen Stärke und Frequenz können Vibrationen zu einem Gesundheitsrisiko werden. Gerne unterstützt Sie unser Messtechnischer Dienst mit Messungen an Maschinen und Fahrzeugen zu speziellen Fragestellungen.

Geschmack
Im Jahr 2016 hat Prof. Charles Spence (Uni Oxford) Studien ausgewertet und Untersuchungen veröffentlicht, die aufzeigen, dass ein hoher Lärmpegel die Fähigkeit, Süßes und Salziges zu schmecken, herabsetzt. Des Weiteren konnte nachgewiesen werden, dass spezifische Klänge die Wahrnehmung von Süßem fördern, während andere Klänge eher bittere Geschmacksnoten hervorrufen. Lärm stellt jedoch nur einen Faktor dar, da er nicht alle Geschmacksrichtungen gleichermaßen beeinträchtigt.

Riechen
Zwergmangusten, kleine Säugetiere aus Ostafrika, können durch Lärmeinwirkung in ihrer Geruchswahrnehmung beeinträchtigt werden. Das hat Prof. Andy Radford (Uni Bristol) mit seinem Team 2011 herausgefunden.

Fazit
Damit unsere Sinne einen guten Dienst leisten, müssen sie geschützt werden. Lärmvermeidung, Lärmminderung, Gehörschutz, Schutzkleidung und viele Dinge mehr helfen, Schäden im Arbeitsleben und im Alltag zu vermeiden!

Hans-Holger Wache, BG RCI

 


Unser Lärm-Experimentalvortrag

Für Beschäftigte, deren mittlere tägliche Lärmbelastung (Tages-Lärmexpositionspegel) 80 dB(A) erreicht oder überschreitet, ist gemäß Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung eine jährliche Unterweisung über die am Arbeitsplatz bestehenden Gefährdungen durch Lärm verbindlich vorgeschrieben. Wie bei allen Unterweisungen stellt sich auch hier die Frage nach dem „wie“: Wie gelingt es mir, meine Beschäftigten so zu unterweisen, dass sie davon auch etwas in den betrieblichen (und auch privaten) Alltag mitnehmen?

Unterweisungen so zu gestalten, dass sie nachhaltig wirken und im Idealfall zu einer Verhaltensänderung der Mitarbeitenden führen, ist eine Kunst für sich. Das alljährliche Vermitteln immer gleicher Inhalte auf immer gleiche Art und Weise ist hierfür sicher nicht die ideale Form.
Grundsätzlich besteht für Mitgliedsunternehmen der BG RCI die Möglichkeit, für Unterweisungen die Beratung und Unterstützung durch Expertinnen und Experten aus den Präventionszentren in Anspruch zu nehmen.

Geht es um das Thema „Lärm“, bietet sich insbesondere ein Vortrag mit praktischen Elementen an. Auch als Bestandteil eines betriebsbezogenen Seminars ist er sehr gut geeignet. Neben dem konkreten Bezug zu den betrieblichen Lärmquellen werden zunächst physikalische Grundlagen vermittelt. Um dies weniger „trocken“ und nicht allzu wissenschaftlich zu vermitteln, kommen zum Beispiel eine Spieluhr und Stimmgabeln zum Einsatz. Der Hörbereich des Menschen und die unterschiedlichen Frequenzen werden vorgestellt und am eigenen Gehör „erfahren“. Welche Frequenzen bei der menschlichen Sprachverständigung eine besonders große Rolle spielen, veranschaulicht Grafik 1.

Selbstverständlich wird auch auf die Auslösewerte und dadurch bedingte Maßnahmen eingegangen. Hierbei wird beispielsweise der Spitzenschalldruckpegel (LpC,peak) anhand einer umfallenden Palette verdeutlicht. Die Eigenart des Dezibels, dass eine Zunahme um „nur“ 3 dB einer Verdopplung des Schalldruckpegels entspricht, wird mit einem anschaulichen Versuch bewiesen.

Natürlich dürfen auch der Aufbau des Ohrs und Grundlagen zum Hören selbst nicht fehlen. Besonders eindrucksvoll sind die abschließenden Hörbeispiele, in denen ein schwerer lärmbedingter Hörschaden simuliert wird. Ein weiterer Schwerpunkt sind die unterschiedlichen Gehörschutzarten. Diese werden mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen vorgestellt. Wenn gewünscht, kann eine praktische Übung zum richtigen Benutzen der PSA erfolgen.

Da jeder von uns auch im Privatleben Geräuschen oder gar Lärm ausgesetzt ist, wird auch darauf eingegangen. Fachleute aus Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin stellen fest, dass immer mehr Jugendliche bereits beim Eintritt ins Arbeitsleben einen beginnenden lärmbedingten Hörschaden aufweisen. Je früher also die Information zum Thema Lärm und seinen Auswirkungen insbesondere auf das Gehör erfolgt, desto besser.

In Absprache zwischen dem Unternehmen und den Expertinnen und Experten der BG RCI können konkrete Inhalte und der zeitliche Umfang des Vortrags selbstverständlich individuell festgelegt werden. Bei Interesse kontaktieren Sie bitte Ihre zuständige Aufsichtsperson.

Sabine Roth und Dirk Leinert, BG RCI


Seminar: Lärm ermitteln und beurteilen

Um geeignete Maßnahmen zur Lärmminderung und zum Schutz der Mitarbeitenden ergreifen zu können, muss die Lärmbelastung nach §5 Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung fachkundig ermittelt, sprich: gemessen werden.

Als zuständiger Unfallversicherungsträger hat die BG RCI ein großes Interesse daran, dass möglichst viele (fachkundige) Messungen in den Mitgliedsbetrieben durchgeführt werden, auf die in künftigen Berufskrankheiten-Ermittlungen zurückgegriffen werden kann. Aus diesem Grund bietet sie ein entsprechendes Fach-Seminar an (LÄRM0011). Es richtet sich primär an Sicherheitsfachkräfte, aber auch an andere mit dem Messen und Beurteilen von Lärm beauftragte Beschäftigte.

Ziel des Seminars ist, dass die Teilnehmenden anschließend eigenständig Lärmbelastungen erkennen, Schallpegelmessungen strukturiert planen und durchführen sowie Messergebnisse beurteilen und dokumentieren können. Auch das Vermitteln praktischer Erfahrung im Umgang mit dem im Idealfall eigenen Schallpegelmessgerät gehört zu den Inhalten.

Theorie und Praxis
Im Gegensatz zum oben beschriebenen Experimentalvortrag werden insbesondere die physikalischen Grundlagen deutlich ausführlicher vermittelt. Die mathematische Herleitung des Dezibels mag bei manchen Teilnehmenden anfangs für rauchende Köpfe sorgen, hilft jedoch anschließend beim Umgang mit Messwerten und der Ermittlung der durchschnittlichen Belastung der Beschäftigten.

Neben all der Theorie wird ein besonderer Fokus auf praktische Inhalte gelegt. In mehreren Messübungen können die Teilnehmenden den Umgang mit Schallpegelmessern und vor allem die richtige Vorgehensweise während einer Messung erproben. Praxisnähe erfährt das Seminar zudem durch Filmbeispiele realer Arbeitsplätze aus Mitgliedsbetrieben der BG RCI. Darin werden konkrete Messaufgaben anschaulich vermittelt (z.B. Arbeitsplätze an kontinuierlich laufenden Anlagen, zyklische Geräusche, konstante Lärmpegel). 

Von der Planung bis zum Messbericht
Obiges Bild zeigt die Schritte nach der Technischen Regel zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (TRLV) von der Planung bis zum Messbericht (MB). Jedes der bereits erwähnten Praxisbeispiele durchläuft während der fünf Seminartage alle Abschnitte dieser symbolischen Straße. Besondere Bedeutung hat dabei die vor jeder Messung durchzuführende Arbeitsanalyse. Deren gewissenhafte Durchführung ist unerlässliche Voraussetzung, um eine geeignete Vorgehensweise für die Messung festlegen zu können (Messstrategie).

Auch auf die Vor- und Nachteile der Schallpegelmessgeräte wird ausführlich eingegangen. Jedoch ist klar herauszuheben, dass die größten Fehler nicht beim Bedienen der Geräte geschehen, sondern in der Vorbereitung einer Messung. Wer kennt nicht den Klassiker „Gestern hättest Du hier sein müssen, da war es laut!“ oder den Hinweis im Sommer, dass es im Winter ja viel schlimmer sei (und umgekehrt)!

Nach dem Motto „Warum denn einfach, wenn es auch kompliziert geht?“, sorgen die Themen Berechnen und Beurteilen und insbesondere die daran anschließende Fehlerbetrachtung für große „Begeisterung“ und manches Kopfschütteln. Bereichert wird jedes Seminar selbstverständlich auch durch die Beispiele und Fragen der Teilnehmenden. Diese heben auch regelmäßig hervor, wie wertvoll der Austausch untereinander sei (innerhalb und außerhalb des Seminarraums).

Eine Fachkunde kann nur erteilt werden, in dem eine Prüfung aller Seminarinhalte erfolgt. Hier hat sich die BG RCI bereits vor vielen Jahren dafür entschieden, den schriftlichen Multiple-Choice-Test durch eine praktische Messübung in kleinen Gruppen zu ersetzen. Dies findet bei den Teilnehmenden großen Anklang und hilft, das frisch erlernte und umfangreiche Wissen direkt konkret anzuwenden und manche Tücke oder Schwierigkeit zu entdecken.

Sabine Roth und Dirk Leinert, BG RCI

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Lärmschwerhörigkeit: Einmal da, geht sie nie wieder weg

Lärmschwerhörigkeiten sind seit Jahren in den TOP 3 der gemeldeten Berufskrankheiten. Das Tückische dabei: Ist die Krankheit einmal da, kann das Hörvermögen nicht wieder hergestellt werden. Die BG RCI unterstützt Betroffene auf verschiedenen Wegen.

Lärmschwerhörigkeit wird von der Nr. 2301 der Berufskrankheitenliste (BK-Nr. 2301) erfasst.  Nach der Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zählt sie neben Haut- und asbestbedingten Erkrankungen zu den häufigsten gemeldeten Berufskrankheiten (BK). 2023 haben die Lärmschwerhörigkeiten sogar die Hauterkrankungen als bisherige Nummer 1 abgelöst. Das spiegelt sich auch in den Meldezahlen bei der BG RCI wider.

Entstehung und Folgen der Schwerhörigkeit
Schwerhörigkeit kann verschiedene Ursachen haben: Lärmeinwirkung, Alter und Erkrankungen gehören neben Vererbung zu den häufigsten. Die Lärmeinwirkung ist dabei die einzige Ursache, der sich durch gezielte präventive Maßnahmen entgegenwirken lässt.

Als Lärm werden im Allgemeinen alle Geräusche bezeichnet, die als unangenehm oder störend empfunden werden. Doch unter welchen konkreten Voraussetzungen kann Lärm eigentlich zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen? Es gibt im Wesentlichen zwei Faktoren, die eine Lärmschwerhörigkeit verursachen: die Lautstärke beziehungsweise der Schalldruckpegel (gemessen in Dezibel, abgekürzt dB(A)) und die Einwirkungsdauer.

Von einer schädigenden Einwirkung im arbeitstechnischen Sinne wird grundsätzlich ausgegangen, wenn für die Dauer einer Arbeitsschicht (das heißt circa acht Stunden) mindestens ein Wert von 85 dB(A) erreicht wird. Das entspricht in etwa einem direkten Aufenthalt an einer Hauptverkehrsstraße oder in der Nähe eines Rasenmähers.

Um die Relevanz der Einwirkungsdauer nachvollziehen zu können, muss man die Anatomie des menschlichen Gehörs näher betrachten. Im Innenohr befindet sich die Cochlea, ein Organ, welches wie eine Schnecke aufgebaut ist und in etwa die Größe einer Erbse hat. Hier befinden sich die sogenannten Haarzellen, die Schallwellen in elektrische Impulse umwandeln. Nach der Umwandlung werden diese elektrischen Impulse über den Hörnerv an das Gehirn übermittelt.

Bei einer kurzzeitigen Lärmeinwirkung werden die Haarzellen umgeworfen, stellen sich jedoch nach einiger Zeit ohne Lärmeinwirkung wieder auf. Länger andauernde Lärmeinwirkung sorgt dafür, dass sich die Haarzellen nicht mehr aufrichten können und absterben. Dies hat zur Folge, dass hohe Töne nicht mehr wahrgenommen werden können und das Sprachverständnis, insbesondere in größeren Personengruppen, stark beeinträchtigt wird. Überwiegend betroffen sind Beschäftigte im Alter zwischen 55 und 65 Jahren.

Was bei einer Lärmschwerhörigkeit häufig unterschätzt wird, sind die sekundären Auswirkungen auf die soziale Teilhabe der Betroffenen. Der mit der Erkrankung einhergehende Informationsverlust kann auf Dauer zu einem sozialen Rückzug führen. Durch geeignete präventive Maßnahmen der Entstehung der Erkrankung entgegenzuwirken, hat somit oberste Priorität. Ist ein Schaden bereits entstanden, kann dieser nur durch wenige individuelle Maßnahmen (Hörgerät) gemildert werden. Eine Heilung ist nicht möglich.

Verfahrensablauf
Sofern ein begründeter Verdacht auf eine lärmbedingte Erkrankung besteht, muss der zuständige Unfallversicherungsträger informiert werden. Die Meldung kann vom Betriebsarzt oder von der Betriebsärztin, von dem oder der behandelnden (HNO-Fach-)Arzt oder Ärztin, dem Unternehmen oder von den Versicherten selbst schriftlich oder online vorgenommen werden.

Die Sachbearbeitung prüft, ob das medizinische Bild vorliegt, und beauftragt den Präventionsdienst, die oben aufgeführten arbeitstechnischen Voraussetzungen zu prüfen. Hierfür werden Angaben der Versicherten und des Unternehmens, Betriebskenntnisse, medizinische Vorbefunde, ärztliche Beraterinnen und Berater und medizinische Gutachten herangezogen. Die Verfahrensdauer von der BK-Meldung bis zum Bescheid beträgt im Schnitt etwa sechs Monate.  

Anerkennungsvoraussetzungen
Wie bereits beschrieben, werden durch Lärmeinwirkung die Haarzellen des Innenohrs geschädigt. Hierdurch ergibt sich ein für die Lärmschwerhörigkeit typisches Schadensbild:
Die Hörkurve fällt ab 2 kHz steil ab, wobei der tiefste Punkt bei 4 kHz liegen sollte (Hochtonbereich). Weiterhin sollten die Knochen- und die Luftleitung nicht mehr als 10 dB voneinander abweichen (Schallleitungsstörung) und beide Ohren annähernd symmetrisch betroffen sein. Liegen gleichmäßige Schäden über alle Prüffrequenzen hinweg vor oder ist ein Ohr deutlich stärker betroffen als die andere Seite, spricht dies gegen beruflichen Lärm als Ursache des Schadens. Eine Abweichung von der Symmetrie zuungunsten eines Ohres kann allenfalls entstehen, wenn eine Lärmquelle isoliert auf ein Ohr trifft. Dies ist im Einzelfall durch den Präventionsdienst festzustellen. Etwas mehr als die Hälfte der angezeigten Fälle wird anerkannt.

Ohrgeräusche 
Zusätzlich zum Schaden des Innenohrs kann ein Ohrgeräusch auf einem oder beiden Ohren auftreten. Das Ohrgeräusch muss ebenfalls im Hochtonbereich messbar sein. Es ist gekennzeichnet durch hohe Piep- oder Pfeiftöne. Tieftonige Geräusche, wie Brummen oder Summen, können nicht der Lärmschwerhörigkeit zugeordnet werden. Wichtig ist zudem, dass das Geräusch während der schädigenden Tätigkeit erstmals aufgetreten ist.

Je nach Ausprägung des Ohrgeräuschs können medizinische Maßnahmen erforderlich werden. In schweren Fällen bietet die BG RCI ein sogenanntes Tinnitus Counseling an, in dem der individuelle Therapiebedarf ermittelt wird und die notwendigen Maßnahmen eingeleitet werden.

Rentenanspruch
Je nach Höhe des bestehenden Hörverlustes und Intensität eines eventuellen Ohrgeräusches kann es zu einer Rentengewährung kommen. Für die Bestimmung der sogenannten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werden Tabellen zugrunde gelegt, die sich in der Königsteiner Empfehlung, der Begutachtungsrichtlinie der BK 2301, finden.

Damit eine Rente gezahlt werden kann, muss die MdE mindestens 20 Prozent betragen. Sofern die MdE zehn bis 15 Prozent beträgt, ist es möglich, dass durch einen anderen Versicherungsfall mit einer MdE von mindestens 10 Prozent eine sogenannte Stützrente vorliegt und ausgezahlt wird. Der Anteil der Erkranktenrenten aufgrund einer BK 2301 liegt bei der BG RCI bei 12,5 Prozent. Nur bezogen auf die Stützrenten im Bereich der Berufskrankheiten macht die BK 2301 rund 56 Prozent aus.

Hörgeräte
Sofern eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anerkannt worden ist, kann sich ein Anspruch auf die Versorgung mit Hörgeräten ergeben. Ob die Voraussetzungen nach der Hilfsmittelrichtlinie vorliegen (erheblicher Hörverlust in den relevanten Frequenzen, bestehendes Ohrgeräusch), wird im Rahmen einer hno-ärztlichen Untersuchung festgestellt, in deren Zuge eine entsprechende Verordnung ausgestellt wird.  Für die Kostenübernahme durch die BG RCI ist relevant, dass der Anteil des Lärmschadens die rechtlich wesentliche (Teil-)Ursache der Versorgung ist. Dies wird im Einzelfall geprüft. Ein Automatismus, dass in jedem Fall einer Anerkennung auch ein Hörgeräte gestellt wird, besteht nicht.

Liegen die Voraussetzungen vor, werden bei einem Akustiker verschiedene Hörgeräte unterschiedlicher Kategorien getestet. Die Versorgung erfolgt mit Hörgeräten, die die individuelle Hörminderung möglichst weitgehend ausgleichen. Bei besonderen persönlichen Situationen können das auch höherpreisige Hörgeräte sein.

Individualprävention
Da sich ein bestehender Lärmschaden unter fortgesetzter Einwirkung verschlechtern kann, sind bis zur Beendigung der Lärmtätigkeit weiterhin regelmäßige betriebsärztliche beziehungsweise HNO-ärztliche Vorsorgeuntersuchungen durchzuführen. Ein Fortschreiten der Berufskrankheit ohne weitere berufliche Einwirkung ist nicht möglich.

Um einem Fortschreiten der Erkrankung gezielt entgegenzuwirken, bietet die BG RCI bei fortgesetzter Lärmtätigkeit verschiedene Maßnahmen der Individualprävention an. Hierzu gehört unter anderem die Beratung am Arbeitspatz durch den Präventionsdienst, die üblicherweise innerhalb von drei bis sechs Monaten nach der Anerkennung erfolgt, je nach Grad der Höreinschränkung. Im Rahmen der Beratung werden zum Beispiel der aktuelle Gehörschutz, aber auch organisatorische Maßnahmen am Arbeitsplatz überprüft.

Wird schon ein Hörgerät getragen, darf es niemals im Lärmbereich genutzt werden; außer, es handelt sich um ein sogenanntes ICP-Gerät. Das ist ein Hörgerät, das auch als Gehörschutz funktioniert. Voraussetzung für eine Versorgung ist, dass eines von drei Kriterien erfüllt ist: Zwingende Kommunikation am Lärmarbeitsplatz, Unmöglichkeit des Hörens von Warnsignalen unter dem bisher verwendeten Gehörschutz oder permanentes Hören von Maschinengeräuschen, deren entscheidender Frequenzbereich im Verstärkungsbereich des Hörgerätes liegt.

Diese Kriterien werden im Rahmen des Beratungsgesprächs geprüft. Liegen die Voraussetzungen vor, erfolgt die Versorgung bei zertifizierten Akustikern. Vor Ort können auch weitere Maßnahmen geprüft werden, die generell der Prävention von Lärmschäden dienen. Hierzu gehören unter anderem die Einkapselung von Lärmquellen oder bauliche Veränderungen, wie zum Beispiel Trennwände.

Ein weiteres Angebot, das die BG RCI bietet, ist die Teilnahme an einem Lärmseminar in einem der beiden Bildungszentrum in Laubach oder Maikammer. Das Angebot zur Teilnahme wird kurz nach dem Anerkennungsbescheid versandt.

Jennifer Fiege und Philip Rüffer, BG RCI