Titandioxid trotz Gerichtsurteil zunächst weiterhin als vermutlich krebserzeugend eingestuft

Titandioxid wurde mit der 14. Änderung der CLP-Verordnung in Partikelform mit aerodynamischem Durchmessen bis maximal 10 µm als vermutlich krebserzeugend bei Einatmen (Carc. 2, H351 (Einatmen)) eingestuft. Diese Einstufung sowie ggf. zusätzliche EUH-Sätze bei Gemischen mit Titandioxid müssen seit dem 1. Oktober 2021 umgesetzt werden.

Gegen diese Einstufung wurde seitens einiger Hersteller vor dem europäischen Gerichtshof Klage eingereicht. Mit einem Urteil am 23. November 2022 erklärt der europäische Gerichtshof die Einstufung von Titandioxid als „vermutlich krebserzeugend beim Einatmen“ sowie die zusätzliche Kennzeichnungspflicht von titandioxidhaltigen Gemischen, die mit der 14. ATP (Anpassungsverordnung der CLP-Verordnung) durch die EU umgesetzt wurde, als rechtswidrig.

Dabei wurde zum einen festgestellt, dass eine für die Einstufung wichtige Studie durch die EU nicht richtig beurteilt wurde. Zum anderen betont das Urteil, dass eine Einstufung als vermutlich krebserzeugend auf intrinsischen Eigenschaften eines Stoffes beruhen muss. Bei Titandioxid sind diese Eigenschaften aber gerade nicht gegeben: die Einstufung sollte allein auf der Beeinträchtigung der Reinigungsmechanismen der Lunge für unlösliche Partikel allgemein beruhen. Beide Gründe führen in der Bewertung des Gerichts dazu, dass die CLP-Verordnung nicht richtig angewendet wurde und eine Einstufung von Titandioxid rechtswidrig vorgenommen wurde.

Das Urteil hebt daher die 14. Anpassungsverordnung der CLP-Verordnung in den Teilen auf, die die Einstufung von Titandioxid und zusätzliche Kennzeichnung von Titandioxidgemischen mit EUH211 bzw. EUH212 betreffen. Das Urteil finden Sie hier.

Gegen das Urteil wurden von der EU Kommission sowie vom Mitgliedsstaat Frankreich fristgerecht Rechtsmittel eingelegt, die Einstufung von Titandioxid bleibt somit bis zum endgültigen Urteil bestehen. Die Berufung finden Sie hier. Es bleibt abzuwarten, ob der Einspruch erfolgreich ist oder nicht.

Die notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Titandioxidpulvern bleiben unabhängig von der Einstufung und Kennzeichnung und damit auch unabhängig von der Rechtskraft des Urteils bestehen: wenn der allgemeine Staubgrenzwert eingehalten wird, besteht keine Gefahr von gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Mitarbeitenden. Wenn der Grenzwert nicht eingehalten wird, sind Maßnahmen zur Staubminimierung erforderlich und die Mitarbeitenden müssen unter Beachtung des STOP-Prinzips geschützt werden.

Die Stellungnahme der BG RCI zu Titandioxid wurde entsprechend überarbeitet, sie ist unter https://www.gischem.de/download/text/Titandioxid_Stellungnahme_BGRCI.pdf zu finden.