Muskel-Skelett-Belastungen

Körperliche Belastung kommt bei nahezu jedem Arbeitsplatz vor. Werden durch die Beschäftigten Bewegungen durchgeführt, Kräfte ausgeübt oder auch nur Körperhaltungen eingenommen, ist das Muskel-Skelett-System belastet. Eine Belastung ist keineswegs schlecht, sondern der Gesundheit zuträglich. Nicht umsonst gilt die Empfehlung sich beim Sport zu bewegen und sich dadurch körperlich zu belasten. 

Allerdings kann eine zu einseitige oder zu hohe Belastung einzelner Strukturen zu Problemen führen und sich letzten Endes in Muskel-Skelett-Erkrankungen äußern. Dieses ist die Krankheitsgruppe, die für die meisten Arbeitsunfähigkeitstage in Deutschland im Jahr 2019 verantwortlich gewesen ist. 

Körperliche Belastung kommt bei der Arbeit in unterschiedlicher Form vor. Unterteilt wird in folgende Belastungsarten:

  • Heben, Halten, Tragen von Lasten 
  • Ziehen und Schieben von Lasten
  • Manuelle Arbeitsprozesse
  • Körperzwangshaltungen
  • Ganzkörperkräfte
  • Körperfortbewegung

Aber ab wann ist eine körperliche Belastung zu viel und führt zu einer Gefährdung für die Beschäftigten? 

Klare Grenzwerte gibt es in der Regel nicht. Das hat damit zu tun, dass verschiedene Merkmale miteinander interagieren und einen Einfluss auf die körperliche Belastung haben. Hierzu gehören die Häufigkeit einer Belastung, die aufzubringenden Kräfte, die Körperhaltung und weitere Arbeitsbedingungen. Das Zusammenspiel dieser Merkmale muss beurteilt werden, wenn die Gefährdung für die Beschäftigten ermittelt werden soll. 

Ein Beispiel: Eine Mitarbeiterin hebt einen 10 kg schweren Sack von einer Palette auf einen Tisch. Wird diese Tätigkeit nur fünfmal pro Schicht durchgeführt, ist das Muskel-Skelett-System weniger belastet, als wenn diese Tätigkeit zwanzigmal pro Schicht vorkommt. Wird die Sackware auf Hüfthöhe bewegt ist die Belastung wiederum niedriger, als wenn sich die Mitarbeiterin zur Aufnahme der Last bücken muss, da sich die Last in Bodennähe befindet. Aber ist die Belastung für das Muskel-Skelett-System höher, wenn eine Last zwanzigmal pro Schicht in aufrechter Körperhaltung bewegt wird oder wenn die Last fünfmal pro Schicht vorgebeugt aufgenommen werden muss? 

Damit die Beurteilung gelingt, können verschiedene Hilfsmittel und Methoden verwendet werden. Im Folgenden werden Ihnen Methoden unterschiedlichen Detailgrades vorgestellt.

Mit Verfahren der orientierenden Gefährdungsbeurteilung kann sehr schnell ermittelt werden, ob bei einer Tätigkeit körperliche Belastungen vorkommen, und ob diese für die Arbeitnehmenden unproblematisch sind. Falls anhand der Beurteilung die Aussage getroffen wird, dass Tätigkeiten zu einer gesundheitlichen Gefährdung führen können, sollten Maßnahmen getroffen werden, die die Belastung verringern. Es kann außerdem ein vertiefendes Verfahren (s. nächster Abschnitt) gewählt werden, um mögliche Belastungsquellen genauer zu identifizieren (vgl. auch Abschnitt „Ableitung von Präventionsmaßnahmen“).

Die orientierenden Verfahren können von betrieblichen Praktikern im Arbeitsschutz durchgeführt werden, die die zu bewertende Tätigkeit kennen.

  1. BAuA Basis-Check und Einstiegsscreening bei körperlicher Belastung
  2. Hinweise zum Basis-Check und Einstiegsscreening bei körperlicher Belastung 
  3. DGUV Checkliste: Orientierende Gefährdungsbeurteilung bei Belastungen des Muskel- und Skelettsystems

Zu den Methoden der vertiefenden Gefährdungsbeurteilung gehören die Leitmerkmalmethoden (LMM). Diese in Deutschland weit verbreitete Methode gibt es in sechs verschiedenen Ausführungen, jeweils eine für eine der in der Einleitung genannten sechs Belastungsarten.
Mit den LMM kann differenzierter als mit den orientierenden Verfahren eine Belastung beurteilt und in einen der vier verschiedenen Risikobereichen zugeordnet werden. Mit dem Ergebnis wird deutlich wann eine arbeitsmedizinische Vorsorge angeboten werden muss, und welche gesundheitlichen Folgen zu erwarten sind.
Nach einer Einarbeitung in die Systematik können die LMM von Arbeitsschutzfachleuten und betrieblichen Praktikern durchgeführt werden.

Die verschiedenen Leitmerkmalmethoden als interaktive PDF-Version oder als Druckversion finden Sie unter: www.baua.de/lmm. Unter diesem Link finden Sie ebenfalls Dokumente mit weiteren Hinweisen. Detaillierte Hinweise zu den LMM finden sich bspw. auch im MEGAPHYS-Projektbericht Band 1 in Kapitel 4.4 zu jeder der sechs Methoden.

Ableitung von Präventionsmaßnahmen

Wenn eine zu hohe Belastung mit einer der Methoden festgestellt wurde, stellt sich die Frage, welche Maßnahmen getroffen werden können, um dies zu verhindern.

Bei der Maßnahmenplanung sollte das TOP-Prinzip angewandt werden. Zuerst sollten Technische Maßnahmen (bspw. Hebehilfe, Hubtische, Vakuumheber, erg. Handwerkzeuge), dann organisatorische Maßnahmen (bspw. Job-Rotation) und dann personenbezogene Maßnahmen (bspw. PSA, Unterweisungen, …) Anwendung finden. Das hat den Hintergrund, dass in dieser Reihenfolge zuerst die wirksamsten Maßnahmen angedacht werden. Eine andere Variante ist das STOP-Prinzip, bei dem das S für Substitution steht. Das bedeutet, dass an der Gefahrenquelle angesetzt werden soll, um Gefährdungen möglichst zu vermeiden. Bei Muskel-Skelett-Belastungen ist eine klare Trennung zwischen S-Maßnahmen und T-Maßnahmen allerdings nicht immer möglich.

Die Maßnahmen sollten im besten Fall auf die Merkmale eine Wirkung erzielen, die eine hohe Belastung für die Beschäftigten herbeiführen. Um herauszufinden, welche Merkmale dies sind, kann bspw. die Auswertung der Leitmerkmalmethode einer Tätigkeit herangezogen werden. Wenn die einzelnen Merkmale beurteilt wurden, ist leicht ersichtlich, durch welche Merkmale (bspw. Lastgewicht, Körperhaltung, Häufigkeit, …) eine hohe Punktzahl erreicht wird, die dadurch das Gesamtrisiko einer gesundheitlichen Schädigung stärker beeinflussen, als Merkmale mit einer geringeren Punktzahl.

Ein Beispiel: Bei einer hohen Punktzahl durch eine schlechte Körperhaltung, sollten Maßnahmen getroffen werden, um diese zu verbessern (z. B. Hebetische). Ist das Lastgewicht zu hoch, können Maßnahmen getroffen werden, die diese Last verringern – entweder durch Hilfsmittel, wie z. B. einem Vakuumheber, oder durch einen Umbau der Prozesse.

Auf diese Weise ist sichergestellt, dass Sie Geld und Mühe an den Stellen investieren, die einen Einfluss auf die Gesundheit Ihrer Beschäftigten haben.
Bevor Sie sich für eine Maßnahme entscheiden, können Sie die Tätigkeit mit der geplanten Veränderung, mit den Leitmerkmalmethoden beurteilen. Dadurch erhalten Sie ein Bild, ob die Maßnahme auch wirklich zu den gewünschten Effekten führt, bevor weitere Ressourcen investiert werden.

Kontakt

Falls Sie weitere Fragen haben oder eine weiterführende Beratung zu diesem Thema wünschen, wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige Aufsichtsperson oder unter Angabe Ihrer Mitgliedsnummer an: praevention-gmp(at)bgrci.de