8.G.1 In welcher Weise hängen aus elektrostatischer Sicht die Mindestzündenergie (MZE) und die Explosionsgruppen von Gas- oder Dampf-Luft-Gemischen zusammen?

Die Elektrostatik stellt die Mindestzündenergien (MZE) neben die Explosionsgruppen IIA, IIB und IIC [1], [2]. Die Explosionsgruppen beruhen auf der Betrachtung eines Zünddurchschlags bei der Zündschutzart druckfeste Kapselung.

Gas- oder Dampf-Luft-Gemische werden, auf Grundlage der experimentell ermittelten Grenzspaltweite (MESG) oder des Verhältnisses ihres Mindestzündstromes (MIC) zu dem Zündstrom von Methan, Explosionsgruppen zugeordnet. Für die meisten Gase oder Dämpfe ist es ausreichend, wenn die Klassifizierung entweder über die MESG oder über das MIC-Verhältnis durchgeführt wird. Nur bei bestimmten Gegebenheiten ist die Ermittlung sowohl der MESG als auch des MIC erforderlich [3]. In [1] erfolgt eine Zuordnung der MZE zu Explosionsgruppen (Tabelle 1).

Tabelle 1: Nebeneinanderstellung von Explosionsgruppen, MESG, MIC und MZE

Explosions-
gruppe

MESG nach [3]

MIC nach [3]

MZE nach [1]

IIA

MESG ≥ 0,90 mm

MIC > 0,80

MZE ≥ 0,20 mJ

IIB

0,50 mm < MESG < 0,90 mm

0,45 ≤ MIC ≤ 0,80

0,02 mJ < MZE < 0,20 mJ

IIC

MESG ≤ 0,50 mm

MIC < 0,45

MZE ≤ 0,02 mJ

Ausnahmen bestehen nach [5] bei den Gefahrstoffen Ethanol, 1-Propanol, 1-Butanol, 1-Hexanol, 1-Heptanol, Ethylenglykol (CAS: 107-21-1), Ethylbenzol, Acetessigsäureethylester (CAS: 141-97-9). Diese Gefahrstoffe besitzen eine MESG der Explosionsgruppe IIB. Die MZE dieser Gefahrstoffe liegt bei ≥ 0,20 mJ und wird in der Literatur sowie aus historischen Gründen dem Bereich der Explosionsgruppe IIA zugeordnet. Begründet durch die MZE sollen, wie in [5] beschrieben, die Sicherheitsmaßnahmen für die Explosionsgruppe IIA angewandt werden und die Anwendungsbereiche der bei dieser Explosionsgruppe verwendeten Produkte (ATEX-Geräte etc.) gelten.

Eine weitere Ausnahme ist Propen als Gefahrstoff der Explosionsgruppe IIA (MESG = 0,91 mm [6]) mit einer MZE von 0,17 mJ [1]. Diese MZE entspricht Gefahrstoffen der Explosionsgruppe IIB.

Weitere Ausnahmen bestehen bei den Gefahrstoffen Cyclohexen (MESG = 0,85 mm [6], MZE = 0,52 mJ [1]) und Di-tert-Butylperoxid (MESG = 0,84 mm [6], MZE = 0,41 mJ [1]).

Diese Darstellung zeigt die fehlende Korrelation zwischen den Explosionsgruppen und der MZE. Die MZE kann nur für die sicherheitstechnische Bewertung im Hinblick auf elektrostatische Zündgefahren unabhängig von der Explosionsgruppe genutzt werden. Der Einsatz von Produkten muss i. d. R. entsprechend der gekennzeichneten Explosionsgruppe erfolgen. Die Einteilung von Gefahrstoffen in Explosionsgruppen hat ausschließlich über die MESG und/oder MIC zu erfolgen.

 

[1]

LÜTTGENS, G.; SCHUBERT, W.; LÜTTGENS, S.; PIDOLL, U. von; EMDE, S.: Statische Elektrizität: Durchschauen - Kontrollieren - Einsetzen. Weinheim: Wiley-VCH, 2020

[2]

LÜTTGENS, G.: Expert-Praxislexikon statische Elektrizität: 1700 Begriffe zu Gefahren, Störungen und Anwendungen. 2. neu bearbeitete Auflage. Renningen: expert-Verlag, 2008 – Nachfolgewerk [4]

[3]

ISO/IEC 80079-20-1:2017-12, Explosionsfähige Atmosphären - Teil 20-1: Stoffliche Eigenschaften zur Klassifizierung von Gasen und Dämpfen - Prüfverfahren und Daten

[4]

SCHUBERT W.; LÜTTGENS, G.: Praxislexikon statische Elektrizität. Tübingen: expert-Verlag, 2022

[5]

TECHNICAL SPECIFICATION IEC TS 60079-32-1:2013+AMD1:2017, Explosive atmospheres - Part 32-1: Electrostatic hazards, guidance. Edition 1.1 2017-03

[6]

CHEMSAFE: Datenbank für sicherheitstechnische Kenngrößen im Explosionsschutz; URL www.chemsafe.ptb.de – Überprüfungsdatum 2023-04-12