3.4.5 Tätigkeiten von Personen mit Behinderungen in Laboratorien

3.4.5.1 Grundlagen

Die Bandbreite von Behinderungen, die eine Person treffen kann, ist sehr groß. Für einen Einsatz im Labor in allen Fällen geeignete Lösungen anzubieten oder allgemeingültige Regeln zu formulieren, ist sehr schwierig. Vorbereitungen, zum Beispiel baulicher Art, können getroffen werden – Art und Umfang sollte man dazu rechtzeitig erwägen. Eine genaue Betrachtung des Einzelfalles wird aber in der Regel notwendig sein. Es wird sicher Behinderungen geben, die mit einer Ertüchtigung des Arbeitsplatzes mit geringem Aufwand einen sicheren Arbeitsplatz ermöglichen. Bei anderen oder gar Kombinationen von Behinderungen wird dies unter Umständen sehr schwer oder auch nicht möglich erscheinen.

Personen mit Behinderungen können Tätigkeiten in Laboratorien unter bestimmten Randbedingungen sicher für sich und andere Personen durchführen. Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung, die auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles zugeschnitten sein muss, sind geeignete Maßnahmen festzulegen und zu dokumentieren. Dies ist auch bei einer gegebenenfalls später eintretenden Behinderung, zum Beispiel Erkrankung, notwendig. Zu berücksichtigen ist speziell die Machbarkeit, Praktikabilität und Wirksamkeit der erforderlichen organisatorischen Maßnahmen sowie die Kooperationsfähigkeit aller Personen.

Das Sicherheitskonzept in Laboratorien beruht darauf, dass dort tätige Personen – mit und ohne Behinderung – etwaige Gefahrensituationen rasch erkennen und schnell genug handeln können, um einem Unfall oder einem Gesundheitsschaden zu entgehen.

Wird dieses Konzept durch Personen mit Behinderung im Labor merklich eingeschränkt, so ist auf andere Art und Weise die notwendige Sicherheit zu gewährleisten. Das ist jedoch nicht in allen Fällen möglich, ohne die Gesundheit der Personen mit Behinderung oder die von anderen Personen im Labor zu gefährden.

Eine Reihe von Lösungsmöglichkeiten ist verfügbar, die auf ihre Anwendbarkeit im Einzelfall zu prüfen sind. Dazu werden zunächst im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung für alle Personen und Arbeitsplätze die folgenden, notwendigen Anforderungen auf Erfüllung geprüft.

  • Ist im Gefahrfall eine Selbst- und Fremd-Rettung jederzeit möglich?
  • Können Gefährdungen und Gefahrensituationen sicher und rechtzeitig erkannt werden (Erkennen von Farben, Kennzeichnungen, Tönen und Geräuschen, Warnsignalen etc.)?
  • Sind Sicherheitseinrichtungen jederzeit rechtzeitig erreichbar (Kriterien sind beispielsweise die Zugänglichkeit und Erreichbarkeit von Not-Aus-Einrichtungen, die Erreichbarkeit und Wirksamkeit von Notduschen und Alarmmeldeeinrichtungen etc.)?
  • Sind Gefährdungen anderer Personen, etwa durch unerwartete Reaktionen oder mangelnde körperliche Fähigkeiten behinderter Personen, ausgeschlossen? (Zu anderen Personen zählen neben weiteren im Labor tätigen Personen auch Dritte, wie etwa Servicepersonal oder Gäste).
  • Ist eine vom Vorgesetzten durchgeführte oder veranlasste fachkundige Unterweisung verstanden worden?

Zur Beantwortung dieser Fragen bedarf es in der Regel einer fachkundigen Beratung. Diese kann durch Sicherheitsfachkräfte und Betriebsärzte erfolgen, durch Vertreter der Sozialpartner (zum Beispiel Betriebsräte), die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und andere Beratungsstellen. Es wird empfohlen, Überlegungen zu den Sicherheitsanforderungen immer im Austausch mit der oder dem Betroffenen anzustellen. Die beratenden Personen müssen über ausreichende Kenntnisse auf diesem Gebiet verfügen.

Im Folgenden werden Beispiele für verschiedene Maßnahmen gegeben. Diese können entsprechend der jeweiligen Behinderung erforderlich sein – neben den allgemein anzuwendenden Schutzmaßnahmen. Entsprechend der Situation vor Ort können Anpassungen erforderlich sein.

3.4.5.2 Technische und bauliche Maßnahmen

  • Anpassung baulicher Gegebenheiten: Zugangs- und Fluchtmöglichkeiten (zum Beispiel Rampen für Rollstuhlfahrer, Wege ohne Schwellen oder Stufen, Handläufe auf Treppen und Korridoren für in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen, Haltegriffe, Türöffner), Benutzbarkeit von Aufzügen, Sozialräumen und sanitären Einrichtungen
  • ausreichende Breite von Flucht- und Rettungswegen, Büro- und Labortüren, kraftbetriebene Türöffner (Öffnung in Fluchtrichtung)
    der jeweiligen Behinderung angepasste Möblierung (siehe Abbildung 1)
  • Beschaffung von Arbeitshilfen
  • Ermöglichen der Erkennbarkeit, Erreichbarkeit und Bedienbarkeit von Einrichtungen und Geräten, insbesondere von sicherheitsrelevanten Einrichtungen (Not-Aus- und Alarmtaster, Notduschen und ihre Betätigungsorgane, Feuerlöscher, Lichtschalter, Telefone etc.). Auch hier sind ergonomische Gestaltungsprinzipien zu beachten.
  • Ermöglichen, dass alle sicherheitsrelevanten akustischen, optischen, olfaktorischen und anderen Informationen für die jeweilige behinderte Person schnell und eindeutig genug wahrnehmbar sind. Sicherstellen, dass ein nicht wirksamer Informationskanal auf alternative Weise übertragen wird, beispielsweise durch eine zum akustischen Signal parallele optische Anzeige.

3.4.5.3 Organisatorische Maßnahmen

  • Anpassung der Arbeitszeiten, insbesondere unter Berücksichtigung der besonderen Problematik von Alleinarbeit
  • Anpassung des Aufgabenprofils unter Berücksichtigung der jeweiligen Leistungsfähigkeit
  • Zuweisung oder Einrichtung eines besser erreichbaren, im Fluchtfall zu verlassenden und für die Anforderungen an die Einrichtung besser geeigneten Arbeitsplatzes
  • Berücksichtigung von Abwesenheiten, zum Beispiel für Rehabilitationsmaßnahmen
  • besonders auf die Situation zugeschnittene Betriebsanweisungen, Unterweisungen, Pläne, Handbücher und Aushänge
  • Unterstützung durch geeignete und fachkundige Personen bei bestimmten Aufgaben
  • Verfügbarkeit einer ausreichenden Zahl von Helfern mit entsprechender Ausrüstung für die Flucht
  • regelmäßige Übungen, insbesondere zur Evakuierung von Gebäuden
  • Unterweisungen und Training zum gegenseitigen Verständnis, zum Beispiel um für nicht gehbehinderte Personen erfahrbar zu machen, wie man im Labor im Rollstuhl zurechtkommt und um Schwachstellen aufzudecken
  • praktische Labortätigkeiten im Rahmen von Lehre oder Studium nach Möglichkeit so gestalten, dass zusätzliche Gefährdungen für Menschen mit Behinderung vermieden werden, zum Beispiel durch die Minimierung von Stoffmengen oder Substitution von Gefahrstoffen, ohne den Lernerfolg zu beeinträchtigen
  • Verlagerung von einzelnen Aufgaben auf andere Personen, ohne im Fall von Berufsausbildung oder Studium die Rezeption der Lerninhalte und Aneignung notwendiger Fähigkeiten zu gefährden

3.4.5.4 Persönliche Schutzmaßnahmen

Angepasste persönliche Schutzausrüstung, zum Beispiel Labormäntel für Personen im Rollstuhl, die die gleiche Bedeckung des Körpers wie bei stehenden Personen bieten, gleichzeitig aber keine Zeitverzögerung beim Ablegen im Kontaminations- oder Brandfall hervorrufen (da bislang die Wirksamkeit von Körpernotduschen für Personen im Rollstuhl nicht untersucht ist, müssen Gefährdungen, die zu der Notwendigkeit des Einsatzes führen können, durch andere Maßnahmen minimiert werden).

Jederzeit an der Person verfügbare Kommunikationseinrichtungen sind erforderlich, um sicherzustellen, dass an allen Arbeitsplätzen sowie auf allen Wegen im Gebäude oder auf dem Gelände die Person gewarnt werden kann (zum Beispiel Mobiltelefon, Sprechfunk, Vibrationsalarm etc.).