Unerwartet Salzsäuredämpfe freigesetzt
Phosphoroxychlorid und Aceton sind eine gefährliche Mischung
Eine unerwartete und heftige chemische Reaktion zwischen dem Löse- und Reinigungsmittel Aceton und der Chemikalie Phosphoroxychlorid führte in einem Mitgliedsbetrieb zu einem Unfall, der glücklicherweise ohne Personenschaden ablief.
In einem pharmazeutischen Unternehmen wird bei einem chemischen Verfahren Phosphoroxychlorid als Lösungsmittel und Reagenz eingesetzt. Am Tag des Unfalls wurde nach Ende der Synthesereaktion das überschüssige Phosphoroxychlorid aus dem Reaktionsgemisch abdestilliert, in ein Stahlspundfass mit PE-Einsatz abgelassen und verschlossen gelagert. Etwa zehn Stunden später barst das Fass und riss an der oberen Kante auf. Salzsäuredämpfe entwichen und eine Teilmenge des Phosphoroxychlorids wurde herausgeschleudert.
Durch umfangreiche Laborexperimente konnte das Ereignis auf eine Reaktion von Phosphoroxychlorid mit Aceton zurückgeführt werden. Das Aceton war zuvor in der Produktionsanlage zum Entfernen von Wasserrückständen verwendet worden. Beim Abfüllen des Phosphoroxychlorids gelangten unvermutete Restmengen des Acetons aus „Toträumen“ der Abfüllleitung und der Pumpe in das Fass.
Untersuchung der Reaktion
Im Sicherheitslabor des Unternehmens wurden in einem adiabatischen Reaktionskalorimeter Versuche zur thermischen Stabilität der Chemikalienmischung durchgeführt. Um die Ereignis-Bedingungen möglichst exakt nachzustellen, wurde in einem so genannten Closed-Cell-Test Phosphoroxychlorid mit Aceton überschichtet. Bei einer Starttemperatur von 30 °C überließ man die Mischung ohne Rühren unter Wärmestau-Bedingungen sich selbst. Zunächst stieg die Temperatur etwa zwei Stunden lang kontinuierlich bis auf 55 °C an. Danach wurde ein sich selbst beschleunigender, exponentieller Reaktionsverlauf gemessen: Die Temperatur stieg innerhalb weniger Minuten auf mehr als 180 °C an. Gleichzeitig kam es zu einem sprunghaften Druckanstieg auf fast 50 bar. Nach dem Abkühlen betrug der Druck im Messgefäß noch 4,8 bar und es verblieb eine schwarze Flüssigkeit. Diese ließ auf eine Zersetzung mit Gasabspaltung schließen.
In der Literatur fand sich zunächst kein Hinweis auf die beobachtete Reaktion. Eine aufwändige Suche führte zu einer ähnlichen Unfallmeldung. Dieser Unfall lief jedoch in umgekehrter Reihenfolge ab. In einem amerikanischen Labor war Phosphoroxychlorid destilliert und die verwendete Vakuumpumpe sowie Destillationsgefäße anschließend mit Essigester und Aceton gereinigt worden.
Phosphoroxychlorid, Aceton und Essigester wurden gemeinsam in einen Abfallbehälter geschüttet. Dieser explodierte etwa zwei Stunden später. Sicherheitstechnische Untersuchungen ergaben, dass hier das Phosphoroxychlorid mit Aceton in einer verzögerten, stark exothermen Reaktion mit sprunghaftem Druckanstieg reagiert hatte.
Siehe: Sichere Chemiearbeit 2/2005, Seite 19