Gefährdung unter den Füßen – Arbeitshygiene in Werkstätten

In vielen Werkstätten liegen noch Holzfußböden aus früheren Zeiten. In den meisten Fällen weisen sie Schäden auf und sind damit eine potenzielle Quelle für Belastungen durch Gefahrstoffe. Ein Sachverständiger der Infraserv GmbH & Co. Höchst KG beschreibt, welche Substanzen austreten können und empfiehlt daher die fachkompetente Sanierung belasteter Böden.

Beim Verlegen von Holzpflastern in gewerblichen Räumen wie Werkstätten ist der Einsatz steinkohlenteerhaltiger Klebstoffe, Vorstriche und Pappen lange Stand der Technik gewesen (DIN 68701: Holzpflaster GE für gewerbliche und industrielle Zwecke, Stand 02/1989) [3]. Michael Alker ist öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für das Sachgebiet „Schadstoffe in Innenräumen“ in und an Gebäuden. Als auszuführender Sachverständiger der Infraserv GmbH & Co. Höchst KG organisiert und betreut er fachlich Altstoff-Sanierungen von Innenräumen, bevorzugt in Industrie- und Gewerbebauten von Industrieparks. Er weiß aus eigener Erfahrung, dass alte Werkstattböden aus Hirnholzpflastern gerade dann zur Luftbelastung in Innenräumen führen können, wenn sie mit Schadstoffen wie Benzo[a]pyren belastet und zusätzlich reparaturbedürftig sind. Um sicher zu gehen, sollten Untersuchungen von Materialproben am alten Holzpflaster erfolgen.

Benzo[a]pyren (B[a]P) ist ein polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoff (PAK) aus ehemaligen steinkohlenteerhaltigen Klebstoffen. Pentachlorphenol (PCP) ist ein Fungizid, Herbizid und Insektizid aus ehemaligen Holzschutzmitteln. Im Untersuchungsergebnis einer von Michael Alker aktuell entnommenen Materialprobe (siehe Foto) zeigten allein die Kleberreste aus der Unterseite eines Stirnholzpflasters über 40000 mg/kg für Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) nach US-EPA, davon über 2000 mg/kg für Benzo[a]pyren (B[a]P). (In der Regel werden die 16 PAK nach US-EPA (United States Environmental Protection Agency) bestimmt.)

Böden vom Profi prüfen lassen

Die Materialbelastung durch PAK wie B[a]P und Wirkstoffe ehemaliger Holzschutzmittel wie PCP können Auswirkungen auf die Arbeitshygiene haben mit den möglichen Aufnahmepfaden dermal (über die Haut), inhalativ (durch die Atmung) bzw. oral (durch den Mund). Die Richtwerte zur Beurteilung von Belastungen von Flächen und Atemluft sind relativ niedrig. Gemäß [9] wurde aktuell zur gesundheitlichen Bewertung von B[a]P in der Innenraumluft ein vorläufiger Leitwert für B[a]P von 0,80 ng/m³ festgelegt. Für eine Beurteilung inklusive Probenahme, Analytik, Empfehlung von Maßnahmen und fachliche Betreuung bei deren Umsetzung steht den Mitgliedsunternehmen der BG RCI für Beratung der Sachverständige Alker gern zur Verfügung. Er empfiehlt, die Arbeitshygiene in Werkstätten mit vorbezeichneten Böden dahingehend prüfen zu lassen, d.h. Sichtprüfung der Holzpflaster; Entnahme von Materialproben, Staubsammelproben, Wischproben, Proben der Innenraumluft und Untersuchung der Proben im Labor; Sanierung als Einschlussverfahren, Versiegelungsverfahren oder Entfernungsverfahren (vorab Asbestuntersuchung!).

Sofern sich ein Fußboden mit Holzpflaster als PAK-belastet herausgestellt hat, hängt der Sanierungsbedarf im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: vom Benzo[a]pyren-Gehalt des Klebers und vom Zustand des Holzpflasters. Wichtig ist, die PAK-Freisetzung in den Innenraum zu unterbinden. Andernfalls wäre auch eine Verschleppung von PAK in Büros denkbar, die an den Werkstattraum mit PAK-Primärquellen angrenzen. Zu ergänzen ist die Beurteilung von Wirkstoffen, wie etwa Pentachlorphenol (PCP), die früher vor allem in Holzschutzmitteln zum Einsatz kamen. PCP kann z. B. durch oberflächliche Abnutzung im Werkstattbereich im Laufe der Zeit die Arbeitshygiene belasten. Nach der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A1.5/1,2 „Fußböden“, 4(5) [4] zur Umsetzung der ArbStättV dürfen von Fußböden keine gesundheitlichen Gefährdungen ausgehen. Diese können beispielsweise durch Ausdünstungen bzw. Emissionen aus Fußbodenmaterialien, Klebstoffen und Konservierungsmitteln verursacht werden oder z. B. bei Nutzungsänderungen von Arbeitsstätten entstehen. Empfehlenswert ist daher die Auswahl emissionsarmer Materialien. Weitere Vorgaben von ASR wie z. B. ASR A3.6 „Lüftung“ [5] und ASR V3 „Gefährdungsbeurteilung“ [6] sind ebenfalls zu beachten.

Wie groß sind die Risiken?

PAK-haltige Gefahrstoffe sind gemäß der Technischen Regel TRGS 905 [2] als krebserzeugend im Sinne des § 2 Absatz 3 der GefStoffV anzusehen, sofern der Massengehalt an B[a]P gleich oder größer als 0,005 vom Hundert (50 mg/kg) beträgt [1], 4.1(3). Insofern ist insbesondere das B[a]P unter den PAK als kritisch anzusehen. PAK mit B[a]P können dann die Arbeitshygiene in solchen Werkstätten beeinträchtigen, wenn die Holzpflaster nicht mehr fest mit dem Untergrund verbunden sind bzw. Risse aufweisen bzw. die Fugen teilweise oder gänzlich offen sind. Mechanische Stoßeinwirkung, Vibrationen, Wärme- bzw. Hitzeeinwirkung können dann den Austritt dieser Schadstoffe insbesondere als Staub begünstigen und damit die Arbeitshygiene im Arbeitsbereich derart belasten, dass Richtwerte zur Beurteilung der Belastung von Flächen bzw. Luft in Innenräumen gegebenenfalls überschritten werden können.

Zur Beurteilung des Krebsrisikos am Arbeitsplatz und zur Festlegung von Schutzmaßnahmen ist die ausschließliche Ermittlung der inhalativen Exposition nicht ausreichend, da der dermale Aufnahmepfad über die Haut in der Regel einen wesentlichen Beitrag zur Exposition am Arbeitsplatz einnimmt. Sinngemäß aus [1], 5.1.(2). Als weiterer Expositionspfad ist die mögliche orale Aufnahme über den Mund von PAK durch unzureichende Hygiene zu beachten [1] 4.2(8).

B[a]P ist nach [7] u. a. eingestuft in:

  • Sensibilisierung der Haut, Kategorie 1; H317: Kann allergische Hautreaktionen verursachen
  • Keimzellmutagenität, Kategorie 1B; H340: Kann genetische Defekte verursachen
  • Karzinogenität, Kategorie 1B; H350: Kann Krebs erzeugen
  • Reproduktionstoxizität, Kategorie 1B; H360FD: Kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen; kann das Kind im Mutterleib schädigen
  • Gewässergefährdend, Chronisch Kategorie 1; H410: Sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung

PAK sind hautresorptiv und können Hautkrebs erzeugen. Darüber hinaus sind PAK durch UV-Licht sensibilisierende Stoffe (fotosensibilisierend) und können daher in Verbindung mit Sonnenlichtexposition zur Überempfindlichkeit der Haut führen [1] 4.1(6). Viele der PAK, so auch deren bekanntester Vertreter, das Benzo[a]pyren, sind krebserregend, wobei die eigentlich schädlichen Substanzen die im Körper gebildeten Stoffwechselprodukte (⁠Metabolite⁠) sind. Bei Aufnahme durch die Atmung wird vor allem die Lunge geschädigt [8].

Gesundheitsüberwachung mit Human-Biomonitoring

Für das Biological Monitoring lässt bei Infraserv Bernd Herber, Facharzt für Arbeitsmedizin, im Fall von PAK und PCP den Urin Beschäftigter untersuchen. Das Ergebnis lässt zwar häufig keinen endgültigen Rückschluss auf die Einzelquellen zu, denn beide Substanzgruppen bzw. Substanzen können auch außerhalb der Arbeitstätigkeit aufgenommen werden. PAK wie Benzo[a]pyren entstehen bei der unvollständigen Verbrennung von organischem Material wie z. B. Holz oder Kohle. Größte Verursachergruppe sind die Öfen und Kamine der Haushalte. Auch der Straßenverkehr emittiert Benzo[a]pyren durch die Verbrennung von Kraftstoffen. PAK⁠ können staubgebunden eingeatmet oder mit der Nahrung aufgenommen werden. Sie lagern sich dann im Fettgewebe ab [8]. PCP kann im Privatbereich z. B. aus alten Holzparkettböden in Altbauten oder aus alten Fertighäusern in Holzständerbauweise, die mit ehemaligen PCP-haltigen Holzschutzmitteln behandelt worden sind, aufgenommen werden. Es ist aber möglich, das Ergebnis mit Referenzwerten (Nichtraucher/Raucher) aus epidemiologischen Studien abzugleichen, bei denen der PAK-Metabolit bzw. PCP-Gehalt im Urin bestimmt wurde. So lässt sich mitunter eine besondere äußere Belastung relativieren, was zu einer Beruhigung exponierter betroffener Mitarbeiter beitragen kann.

Dipl.-Ing. Michael Alker, Dr. rer. nat. Dr. med. Bernd Herber
Infraserv GmbH & Co. Höchst KG, Frankfurt/M.

Fachliteratur

[1] Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 551 „Teer und andere Pyrolyseprodukte aus organischem Material“, Fassung vom 02.02.2016
[2] Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 905 „Verzeichnis krebserzeugender, keimzellmutagener oder reproduktionstoxischer Stoffe“, Fassung vom 03.03.2020
[3] Sanierung PAK-haltiger Klebstoffe: Handlungsanleitung zum Entfernen PAK-haltiger Klebstoffe für Holzfußböden. Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, BG BAU, Ausgabe 5/2010
[4] Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A1.5/1,2 „Fußböden“, Ausgabe Februar 2013, zuletzt geändert GMBl 2019
[5] Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A3.6 „Lüftung“, Ausgabe Januar 2012, zuletzt geändert GMBl 2018
[6] Technische Regel für Arbeitsstätten ASR V3 „Gefährdungsbeurteilung“, Ausgabe Juli 2017
[7] GESTIS-Stoffdatenbank, Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA)
[8] https://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/luftschadstoffe-im-ueberblick/benzoapyren-im-feinstaub#ermitteln
[9] Bundesgesundheitsblatt 2021 · 64:1036 – 1046 © Springer-Verlag GmbH Deutschland
https://doi.org/10.1007/s00103-021-03354-5

Die Technischen Regeln TRGS [1] – [2] sowie ASR [4] – [6] werden vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) bzw. Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) erstellt und im Gemeinsamen Ministerialblatt GMBl bekannt gemacht.