„Diese Kraft hat mich umgehauen“

Regisseur und Kameramann Michael Hammon über die Dreharbeiten

Herr Hammon, wie sind Sie auf das Filmprojekt GOLD aufmerksam geworden?

Das ist eine verrückte Geschichte. Ich hatte einen Arbeitsunfall gehabt, war vom Dach gefallen, sieben Meter tief und lag im Krankenhaus. Einige Knochen waren gebrochen und das Rückgrat gequetscht, aber ich habe riesiges Glück gehabt, es war keine Querschnittlähmung. Nach einer Woche in der Klinik klingelte das Handy und einer der Produzenten, Andreas Schneider, fragte mich, ob ich die Kamera in seinem neuen Filmprojekt übernehmen wollte. Er erzählte mir von GOLD und ich sagte natürlich zu, es schien mir wie ein Wink des Schicksals.

 

Waren Sie als Regisseur oder Kameramann zuvor schon einmal in Berührung gekommen mit Themen wie Rehabilitation oder Behindertensport?

Ja, im Jahr 2000 hatte ich über meine Frau eine junge paralympische Sportlerin kennen gelernt: Sabine Wagner bereitete sich damals gerade auf die Paralympics in Sydney vor. Meine Frau und ich waren fasziniert von der Persönlichkeit und dem Thema, deshalb haben wir begonnen mit Sabine zu drehen, aber wir haben damals keine Geldgeber und kein Interesse gefunden. Geblieben ist nur der Traum, weiter zu machen und der hat sich mit GOLD auf eine andere Weise erfüllt.

Kurz nach Beginn der Dreharbeiten sind Sie von der Kameraführung in die Regie gewechselt. Gibt es Schlüsselszenen, von denen Sie von Beginn an wussten, dass Sie den Film tragen würden?

Da gibt es einige. Zum Beispiel meine erste Begegnung mit Kurt Fearnley. Er kam gerade vom New York Marathon. Nach 20 Kilometern war sein Steuergerät kaputt gegangen, das bewirkt eine Bremswirkung auf das Vorderrad. Er ist weitergefahren und zweiter geworden. Diese Kraft hat mich umgehauen. Bei Henry Wanyoike ist es die Geschichte seines Engagements. Kennen Sie das Kuh-Projekt?

Nein, erzählen Sie.

Henry hat auf einer seiner Reisen Boris Becker getroffen, der war offenbar begeistert von ihm und fragte, ob er etwas für ihn tun könne. Henry bat ihn, einige Kühe zu spenden, die wollte er Familien in seinem Dorf schenken. Und jedes neue Kälbchen würde er ebenfalls verschenken. Boris Becker hat das gemacht. Inzwischen hat Henry 58 Kühe verschenkt und Familien damit geholfen, einen Lebensunterhalt zu verdienen.

Gibt es auch eine Schlüsselszene mit Schwimmerin Kirsten Bruhn, die ja Mitglied im DGUV Team ist?

Das sind für mich unsere Drehtage in der BG-Unfallklinik in Hamburg Boberg. Kirsten erzählt da, wie sie ganz unten war. Wie sie zum ersten Mal realisiert hat, dass die Lähmung irreversibel ist. Wir haben da auch einen jungen Mann gefilmt, der scheinbar endlos lange braucht, um von seinem Bett in den Stuhl zu kommen und man ahnt plötzlich, wie viel Kraft, Energie und Training es Kirsten gekostet hat, aus diesem Tief wieder raus zu kommen.

Sie haben auch bei den Paralympics in London gedreht. Hat das Ihren Blick auf den Behindertensport noch einmal verändert?

Für mich war das ein Höhepunkt der Arbeit. Diese Athleten aus aller Welt erleben zu dürfen, das war unglaublich beeindruckend. Interessant war aber auch zu sehen, wie die einzelnen Nationen mit ihren paralympischen Sportlerinnen und Sportlern umgehen. Die Prämien sind ja insgesamt ziemlich klein und man fragt sich, warum machen diese Athleten das? Warum nehmen sie so viele Mühen, so viel Schmerz auf sich?

Das Motto des Films lautet ja „GOLD – Du kannst mehr als du denkst“. Dieser Satz richtet sich ja nicht nur an Menschen mit Behinderung, sondern an alle. Können Sie selbst damit etwas anfangen?

Ja, auf jeden Fall. Ich empfinde Demut angesichts der Leistungen und der Haltungen, die ich mit diesem Film dokumentieren darf. Wir anderen brauchen ja manchmal nur einen kleinen Anlass, um die Welt grau in grau zu sehen und uns selbst zu bemitleiden. Für mich ist es deshalb sehr wichtig, diese Botschaft zu transportieren und ich hoffe, der Film wird ihr gerecht werden.

Im Moment sind Sie gerade dabei, das Filmmaterial zu schneiden und zusammen zu fügen. Ein sehr sensibler Moment, was ist Ihnen jetzt wichtig?

Der Schnitt ist der wichtigste Teil der Arbeit. Jetzt geht es darum, eine Balance und einen Spannungsbogen zu finden. Ich möchte alle drei Geschichten zu einer Einheit verweben und dazu ist der Sport eine gute Klammer. Am Ende soll eine Antwort auf die Frage stehen: Was treibt Menschen zu solchen Taten?

© PM DGUV